... äxgüsi
Sind wir uns schon einmal begegnet? Vielleicht haben wir uns schon einmal an einem Konzert getroffen. Ich bin der mit dem Kontrabass, der mit der Musik so mitgeht. 1995-2000 war ich in der Kapelle Carlo Brunner Bassist. Möglicherweise aber waren Sie auch an einem Konzert der Hanneli Musig, oder bei Pareglish, oder im Hotel Eden in Zürich, wo ich jeden Donnerstag mit dem Willy Bischof Trio Jazz spiele. Vielleicht haben Sie mich mit meinen Geschwistern, den Mc Lears gesehen, oder als Minnesänger Christoffel vom Hengstacker an einem mittelalterlichen Fest. Schon möglich.
  Schön, dass Sie meinen Artikel lesen. Wissen Sie, eigentlich ist Musik die einfachste Sache der Welt. Mein jüngerer Sohn Michael — er wird bald drei Jahre alt — singt mir momentan die tollsten Lieder vor. Ohne viel dabei zu denken, komponiert, vertextet und arrangiert er seine Geschichten in einem Zug. Irgendwie komme ich mir doch recht armselig vor, dass ich manchmal stundenlang über einer Komposition brüte. Sind denn letztendlich meine ausgefeilten Arrangements echter oder gar schöner? Es ist mir nie in den Sinn gekommen, Michael anzuweisen, er solle diesen oder jenen Ton genauer intonieren. Wie käme ich auch dazu!

Als Berufsmusiker sieht die Sache nicht mehr so einfach aus. Da geht es um ein Handwerk, das gelernt sein will, sonst hätte ich mir die zehn Jahre Jazzschul-, Konsi- und Pädagogikstudium auch schenken können. Berufsmusik ist Knochenarbeit, will heissen: kontinuierliches Arbeiten an Wahrnehmung, Technik, Erhalten und Erweitern des Repertoires und nicht zuletzt auch Konditionstraining. Ganz im Ernst: Was da so locker und unbeschwert aussieht, ist eine ziemlich schweisstreibende Angelegenheit; an ein Konzert nehme ich immer ein zweites Unterleibchen mit. So, jetzt gehe ich aber üben.

Kommen sie doch mit!

Wir sind hier im Basslaboratorium, meinem Arbeitsplatz. Bitte, nehmen Sie doch Platz. Zu Ihrer Linken steht ein Klavier und eine Zimmerlinde, darüber schwingt ein uralter Regulateur ehrwürdig sein Pendel. Rechts hängen ein Dutzend Saiteninstrumente an der Wand; E-bässe, Gitarren, ein Banjo und eine Mandoline. Weiter hinten in der Ecke stehen auf ihren Stativen einige arbeitslose Mikrofone und grinsen in Richtung 24-Kanal-Mischpult, das zusammen mit seinen Studiogeräten an ein Flugzeugcockpit erinnert. Mitten im Raum steht an einen Stuhl gelehnt mein Kontrabass. Gefällt er Ihnen? Habe ich bauen lassen. Das war die beste Investition meines Lebens. Hören Sie mal: Smm, sm sm sm sm sm sm smmm, smm, smm, smmmm. Schön, he? Klang ist das A und das O, gerade beim Bass, weil er von seiner Funktion her nicht durch Virtuosität bestechen kann. Das will natürlich nicht heissen, dass er nichts zu bieten hätte. Ein Bass ist unentbehrlich. Er ist das Fundament und gleichzeitig wie ein fliegender Teppich das Vehikel jedes solistischen Höhenflugs. Wenn man zu Ländlermusik tanzt, tanzt man im Takt der Bassstimme. Ich liebe diese Aufgabe. Man steht nicht unmittelbar im Rampenlicht und ist doch ein zentraler Bestandteil der Kapelle. Ob Bündner-, Appenzeller-, Berner- oder Innerschwyzer-Stil, ein Kontrabass muss dabei sein.
Früher habe ich immer sehr viele Noten gespielt, bis ich irgendwann dann einmal merkte, dass das gar nicht nötig ist. Es ist viel ursprünglicher, echter, wenn man das Wesentliche spielt. Deshalb ist mir vorher mein Sohn in den Sinn gekommen. Er denkt sich nichts dabei, er tut es einfach. Das verstehe ich unter «urchig»: einfach drauflos. Wer beim Musikmachen zu viel denkt, läuft leicht Gefahr, Fehler vermeiden zu wollen. Damit nimmt man sich jedoch den Schwung. Ich nehme lieber einmal einen Fehler in Kauf, wenn ich dabei unbeschwert bleiben kann. Ich habe dann noch genug Zeit, keine Fehler mehr zu machen, wenn ich einmal gestorben bin. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen, ich möchte noch ein wenig üben; einfach weil's Spass macht …

 

(Das Selbstporträt erschien im Juli 2004 in der Zeitschrift «Edelweiss»)
 
zurück zu  www.basslabor.ch